Gegen das Vergessen – 9a und 9b beim KZ-Gedenkstättenbesuch

Der Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau gehört in der Realschule am Goldberg zum festen Bestandteil des Geschichtsunterrichts. Doch in diesem Jahr brechen die Neuntklässler nicht Richtung Bayern auf.

Dieses Jahr gehen die 9a und die 9b gemeinsam mit ihren Lehrerinnen Frau Schrutz, Frau Schlagenhauf, Frau Bal und Frau Guivala vor Ort auf Spurensuche. Denn das Verbrechen gab es auch vor der eigenen Haustüre, wie Andreas Kroll von der KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen nüchtern feststellt. 


Diesem Verbrechen können die Realschüler am 25.01.24 – zwei Tage bevor sich die Befreiung Auschwitz’ zum 79. Mal jährt – über viele Einzelbiografien nähern. Im NS-Dokumentationszentrum in der kleinen Gemeinde unweit von Herrenberg informieren sie sich über Täter, Opfer, aber auch über Personen, die beides waren – die sogenannten Funktionshäftlinge, welche gegen Straferleichterungen Aufgaben im KZ übernahmen. Auch über die schwierige Strafverfolgung der Beteiligten informiert der Jugendguide Benjamin Merkt. Benni, wie wir ihn nennen sollen, hatte die Gelegenheit den Holocaust-Überlebenden und Häftling aus Hailfingen-Tailfingen Mordechai Ciechanower persönlich kennenzulernen. 

Mordechai Ciechanower, der demnächst seinen 100. Geburtstag feiert, erzählt in eindrücklichen Ton- und Bildaufnahmen von seinen Lagererfahrungen. Selten ist die 9a so leise wie in dem Moment, als Herr Ciechanower erzählt, wie sie ihn in Auschwitz von seiner Mutter und seinen Schwestern trennten. Später landet er nach einer Odyssee durch verschiedene Lager im KZ Hailfingen-Tailfingen, wo er bei minus 20 Grad in einem Flugzeughangar auf Läuse befallenem Stroh schlafen muss. Nach den Schülerpräsentationen zu den neu gewonnenen Erkenntnissen wandern die Schüler zunächst Richtung Friedhof, auf welchem der jüdischen Häftlinge gedacht wird. Auf dem Weg dorthin hält ein Ehepaar mit seinem Auto an und fragt, wohin die Gruppe unterwegs sei. „Auf den Friedhof“, lautet die Antwort. Das sei aber nicht sehr aufbauend, antwortet der Fahrer. „Aufbauen ist heute nicht unser Ziel, eher Begreifen“, lautet die Entgegnung. Die zweite Station der Wanderung ist das Lagergelände, auf welchem sich nun ein Sportplatz befindet. Einige Schüler machen ihrem Unmut Luft: „Hier sieht man ja gar nichts mehr!“ „Wo ist denn jetzt das KZ?“ Es ist nicht leicht, eins der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte Generationen greifbar zu machen, die seit über 75 Jahren keinen Krieg mehr erlebt haben. 

Die von Häftlingen miterbaute Fluglandebahn ist heute von einem friedlichen Wäldchen überwachsen. Nur ein Mahnmal erinnert noch ans Lager. Ein Mahnmal aus einer 5 Tonnen schweren Aluminiumpyramide, die alle Namen der 600 Häftlinge trägt. Ein Mahnmal, das immer wieder Opfer von Vandalismus ist. Ein Mahnmal, das zeigt, dass der Kampf gegen das Vergessen auch wenn wir keine Baracken, keine Häftlingskleidung oder Grausamkeiten sehen können, immer noch größte Relevanz hat. Und so schließt Jugendguide Benni seine Führung mit einem Originalton Margot Friedländers: „Es gibt kein christliches, kein jüdisches, kein muslimisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut. Wir sind alle gleich. […] Es darf nie, nie wieder geschehen.“

S. Guivala